"Getränkeland Heidebrecht ist seit über 30 Jahren für Kundinnen und Kunden aus Norddeutschland eine zuverlässige Anlaufstelle. Wie kam es zur Unternehmensgründung?"
Die berühmte Stammtischidee: Nach langjähriger Erfahrung im Einzelhandel und der Position als Einkaufsleiter bei Trinks Goslar kam kurz nach der Wende meinem Opa Rüdiger Heidebrecht die Erkenntnis, dass es im Osten keine Getränkeabholmärkte gibt. Das müssen wir ändern – so wurde der erste „preiswerte Abholmarkt“ 1991 in Goldberg eröffnet. Zum damaligen Zeitpunkt war mein Opa bereits 50 Jahre alt, insofern war es sehr mutig von ihm, die eigene Komfortzone zu verlassen, um sich selbstständig zu machen.
"Seitdem ist Getränkeland kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile verfügen Sie über 110 Filialen in sechs Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern sind Sie sogar Marktführer. Wo liegen Ihre Stärken im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?"
Als unsere Hauptwettbewerber sehen wir vor allem jene Discounter, welche auch Mehrweg-Getränke vermarkten. Diese weisen hier eine hohe Filialdichte auf, auch in den ländlicheren Gefilden, und vermarkten besonders aggressiv. Im Vergleich können und müssen wir mit einer hohen Sortimentskompetenz sowohl in der Breite als auch in der Tiefe punkten. Neben den größten klassischen Warengruppen im Getränkeabholmarkt (GAM) – Bier, Wasser und Limonaden – sind wir mittlerweile auch in weiteren Sortimenten sehr breit aufgestellt, wie bei den Spirituosen: Hier können wir uns mit Kontaktstrecken von über 12 Regalmetern gegenüber allen Wettbewerbern profilieren. Ein umgebauter Markt mit einem entsprechend hohen Regalierungsgrad kommt heute auf einer Verkaufsfläche von knapp 500 m² auf ein Sortiment von über 4.000 Artikeln. Im Grunde genommen sind diese Themen aber auch im Vergleich mit dem LEH und weiteren Wettbewerbern aus dem GAM unsere Stärken.
"Vom ersten Tag an liegt das Unternehmen bereits in den Händen der Familie Heidebrecht. Nach Ihrem Großvater Rüdiger Heidebrecht und Ihrem Vater Axel Heidebrecht sind Sie nun ebenfalls in die Geschäftsführung eingestiegen. Inwiefern macht diese familiäre Bindung die Marke Getränkeland besonders?"
Wir sind, denke ich, in vielen Belangen ein klassisches Familienunternehmen – auch wenn wir mittlerweile mit über 600 Mitarbeitenden und Tochterunternehmen im E-Commerce oder der Softwareentwicklung vielleicht schon ein etwas größeres Familienunternehmen sind. Auf der einen Seite haben wir nach wie vor sehr flache Hierarchien, was für kurze Entscheidungswege und schnelle Entscheidungen sorgt. Auf der anderen Seite ist es bei bestimmten Projekten manchmal auch schwierig, mit genau diesen eher knappen personellen Ressourcen voranzukommen und agil zu bleiben. Als Geschäftsführer in einem familiären Betrieb ist man in entsprechend viele Themen und Entscheidungen direkt involviert, von denen die Geschäftsführung in einem Konzern vermutlich noch nie etwas gehört hat. Alle Mitarbeitenden haben meine Handynummer oder auch die meines Vaters und melden sich bei Herausforderungen – egal ob beruflich oder privat – auch mal direkt. Diese Mitarbeiterbindung macht Familienunternehmen am Ende einzigartig – und das gilt es aufrechtzuerhalten.
Meinem Vater möchte ich an dieser Stelle danken, dass er mir von Anfang an großes Vertrauen und viel Entscheidungsfreiheit geschenkt hat, sodass ich mich konstruktiv bei der Modernisierung der Filialen, dem Aufbau des Category Managements oder der Erschließung neuer Absatzkanäle im E-Commerce einbringen durfte. Im Jahr 2018 war ich noch keine zwei Jahre im Unternehmen, da durfte ich nach über 20 Jahren unser Logo verändern, um auch äußerlich ansprechender für jüngere Zielgruppen zu werden, die uns im Getränkefachmarkt heute noch fehlen. Diese Freiheiten sind, so denke ich, auch in Familienunternehmen nicht selbstverständlich und am Ende mitverantwortlich für unseren Erfolg.
"Nicht nur wir persönlich spüren die steigende Inflationsrate im Portemonnaie, auch die Preise im Groß- und Einzelhandel haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges verändert. Wie bewerten Sie den Kaufkraftverlust im Getränkehandel?"
Mein Vater würde jetzt kurz und bündig antworten „Getrunken wird immer!“, womit er definitiv richtig liegt. Glücklicherweise haben wir im Absatzkanal Getränkefachmarkt eine etwas ältere, aber kaufkräftigere Zielgruppe mit einem höheren Haushaltsnettoeinkommen, sodass wir bis jetzt trotz vieler bereits umgesetzter Preiserhöhungen noch keine Kundenabwanderung oder großen Umsatzeinbrüche verzeichnen. Wir rechnen auch im nächsten Jahr mit einer leicht positiven, durch die Preiserhöhungen getriebenen Umsatzentwicklung. Der nominale Absatz geht im Vergleich natürlich schon etwas zurück.
"Haben Ihre Kunden dadurch bedingt neue Bedürfnisse und wie stellen Sie sich darauf ein?"
Selbstverständlich ändern sich die Bedürfnisse der Kundschaft ein Stück weit; dem versuchen wir im Einkauf und Vertrieb gerecht zu werden. Aktuell liegt unser Werbeanteil am Gesamtumsatz um 2 % höher als im Vorjahr, ohne dass unsere Aktionspreispolitik aggressiver geworden ist. Diese Zahl mag erst mal wie eine kleine Veränderung wirken, ist bei den weiteren Preiserhöhungen, die vor uns liegen, und den im privaten Bereich erst noch anstehenden Nebenkostenabrechnungen im nächsten Jahr aber schon ein Stück weit wegweisend. Neben attraktiver Werbung, zu der für uns auch weiterhin ein verteilter Papierhandzettel gehört, achten wir auch darauf, den Preiseinstieg in allen Warengruppen vernünftig abzubilden. Dabei verfallen wir allerdings nicht in Panik oder blinden Aktionismus, da wir bisher eben nur erste Indizien und keine krassen Verschiebungen sehen. Auch wenn der Kasten Heineken oder das bayrische Bier bei uns hier oben mittlerweile über 20 € kosten, sehen wir auch hier weiterhin Zuwächse.
"Fachkräftemangel, die Energiekrise oder auch eine steigende Inflationsrate stellen uns alle vor neue Herausforderungen, die uns viel abverlangen. Wie gehen Sie mit diesen Themen um?"
Wir versuchen, diesen Themen im Rahmen unserer Möglichkeiten bestmöglich zu begegnen und am Zahn der Zeit zu bleiben. Das Thema Fachkräftemangel sehen wir dabei mittelfristig als größte Herausforderung. Wir sind stolz auf unsere gute Mitarbeiterbindung und entsprechend hohe Betriebszugehörigkeit, für die wir natürlich auch einiges tun, indem wir eine betriebliche Krankenzusatzversicherung abschließen oder die betriebliche Altersvorsorge bezuschussen, um nur einige Bereiche zu nennen. Schließlich reden wir bezüglich der Tätigkeiten in den Märkten von schwerer körperlicher Arbeit. Wir sind ebenso auf neue Kräfte angewiesen, die immer schwerer zu bekommen sind – und wenn sie erst mal da sind, auch gehalten werden müssen. Das Angebot an Fachkräften haben wir dabei nicht in der Hand, allerdings haben wir mittlerweile unser Recruiting so weit ausgebaut, dass wir möglichst viele Bewerber*innen erreichen, indem wir auf vielen verschiedenen Portalen Stellen ausschreiben. Mitarbeiter*innen werben bei uns auch neue Mitarbeitende und erhalten dafür 500 € Prämie.
Im Bereich Energie haben wir in den letzten Jahren schon sehr viel getan und bereits im Jahr 2016 sämtliche Innen- und Außenbeleuchtungen auf LED-Technik umgestellt. Wir ruhen uns auch jetzt nicht darauf aus, dass wir bei Strom und Gas noch von einem langfristigen Vertrag mit vergleichsweise günstigen Konditionen profitieren, sondern sind stolz darauf,
dass wir vor Kurzem unsere 12. PV-Anlage in Betrieb genommen haben und in Kürze auf unserem Verwaltungsgebäude noch eine Mini-Windkraftanlage testen werden.
"Unter dem Dach der der REWE-FÜR SIE Getränkevermarktungs- und Einkaufsgesellschaft mbH (GVG) hat sich eine Reihe von Getränkehändlern zusammengeschlossen, um unter der Dachmarke DIE GETRÄNKEKÖNNER ihre Getränkefachmärkte gemeinschaftlich zu bewerben. Das Konzept beinhaltet neben einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie in Form einer einheitlichen Außengestaltung der Märkte, Handzettel-Layouts oder PoS-Materialien auch ladenbauliche Elemente und ein gezieltes Category Management. Sie haben sich ebenso dazu entschieden, diesen Weg für Ihre Märkte mitzugehen und das GETRÄNKEKÖNNERKonzept umzusetzen. Was hat Sie so von diesem Konzept überzeugt?"
Als dieses Konzept damals im Jahr 2017 so langsam in Fahrt kam und man sich innerhalb der GVG final über die konkreten Inhalte und Anforderungen verständigt hat, war ich noch kein halbes Jahr im Unternehmen und habe das Thema also völlig unvoreingenommen und neutral betrachtet. Die Ansätze wurden unter Nutzung vieler Ressourcen der GVG und teilweise auch der REWE-Welt erarbeitet, was keinem der angeschlossenen Getränkehändler in diesem Umfang und dieser Qualität allein gelungen wäre. Natürlich stellt jeder Händler dabei seine spezifischen Anforderungen. Am Ende stand aber ein gut umsetzbares Konzept, das später noch durch die Teilnahme am PAYBACK-Programm abgerundet wurde. Da bei uns hoher Modernisierungsbedarf bestand, waren wir sofort überzeugt und haben richtig Gas gegeben, sodass wir heute bereits knapp 100 Märkte nach diesem erfolgreichen Konzept umgesetzt haben.
"Seit 2014 erneuern Sie sukzessive Ihre Märkte, die Homepage wurde neu gestaltet und um eine App ergänzt. Haben Sie noch weitere Pläne für die Zukunft?"
Ein gar nicht mehr so neues Thema, vor dem wir uns nicht länger verschließen dürfen, ist natürlich der E-Commerce. Auch wenn der Anteil im Food-Bereich mit circa 2 % noch lange nicht so hoch ist wie in der Drogerie oder Unterhaltungselektronik, sehen wir bei Wein, Sekt und Spirituosen bereits einen Online-Anteil von über 10 % am deutschen Gesamtmarkt. Im Jahr 2021 haben wir die Getränkeland Onlinehandelsgesellschaft gegründet und betreiben seit Februar unseren ersten Onlineshop dosenmatrosen.de mit großem Erfolg. Im Jahr 2023 werden Onlineshop Nummer zwei und drei folgen.
"Gibt es etwas, auf das Sie als Unternehmer besonders stolz sind?"
Ich bin sehr stolz auf unsere Unternehmenskultur und den Zusammenhalt, der mir hier seit dem ersten Tag und bis heute begegnet. Ohne dieses Klima hätten wir die vielen positiven Veränderungen und Entwicklungen der letzten Jahre kaum bewerkstelligen können. Genau diese Bestätigung sorgt dann auch bei mir immer wieder für neuen Antrieb und Motivation, sodass ich stolz bin, in den letzten sechs Jahren bereits viel beigetragen zu haben zu unserem Erfolg und der Aufrechterhaltung eben jener Werte, die uns als Familienunternehmen so erfolgreich machen.