Nur ein Trend oder "Wein der Zukunft"?

Können Sie sich noch an die Zeiten zurückerinnern, in denen Sie ein Reformhaus aufsuchen mussten, um eine Bio-Butter oder einen Bio-Saft zu kaufen? Allzu lange liegen diese lästigen, umständlichen Einkaufswege gar nicht mal zurück. Und dann war es wie ein Fingerschnipsen – mit einem Mal wurden Bio-Lebensmittel regalweise auch in Supermärkten angeboten.

Aber wofür steht das Wort „Bio“ eigentlich? Produkte, die diese Auszeichnung tragen, stammen aus der ökologischen Landwirtschaft und ökologisch kontrolliertem Anbau. Das heißt dürfen gentechnisch nicht verändert werden und müssen ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Kunstdünger oder Klärschlamm angebaut werden. 

Bio-Müsli oder Bio-Eier, alles schön und gut. Aber Bio-Wein? Vermutlich wird der eine oder andere ein „trübes, säuerliches Getränk, dessen Geschmack zweitranging ist“ im Sinn haben. Die Zeiten der „schlechten“ Bioweine gehören jedoch der Vergangenheit an – in den letzten Jahren hat ein Imagewechsel stattgefunden, denn der Anspruch und das Qualitätsbewusstsein haben sich verändert. 

Bei den qualitativ hochwertigen und wohlschmeckenden Bio-Weinen steht der ganzheitliche Schutz des Ökosystems und der Weinberge sowie die Stärkung der Reben im Vordergrund. Bei der Herstellung wird große Rücksicht auf die Umwelt genommen und der Eingriff in die Natur fällt so gering wie möglich aus. Ein begrünter Weinberg, in dem eine Schafherde zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird, ist daher nicht nur schön anzusehen. Auf diese Art werden Schäden durch schwere Maschinen verhindert, Pestizide kommen weniger zum Einsatz und Erosion kann reduziert werden.

Während konventionelle Weinbauern auf künstlich hergestellte Dünge- und Pflanzenschutzmittel zurückgreifen, nutzen ökologische Winzer sogenannte Kontaktmittel. Diese wirken lediglich auf der Oberfläche der Rebe. Hierfür werden ausschließlich natürliche Substanzen wie Backpulver oder Pflanzentees verwendet. Die Zugabe von Kompost als natürliches Düngemittel und eine intensive Laubpflege vermindern darüber hinaus das Risiko von Schädlingsbefall.

Das alles schützt nicht nur die Umwelt, sondern führt auch zu einem vitalen Boden, auf dem auch in Zukunft noch charaktervolle Trauben heranreifen können. Zudem unterstützt eine gute Bodenqualität die Weinreben und macht sie widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten.

Doch Bio-Winzer haben es keinesfalls leicht. Sie arbeiten vorbeugend, damit die Pflanzen gesund bleiben, denn ist eine Pflanze mit Krankheiten befallen, bleiben dem nachhaltigen Weinbauern so gut wie keine Möglichkeiten, seine Ernte zu retten.

Aber nicht nur bei der Pflege und der Ernte der Reben experimentieren Winzer mit natürlicheren Mitteln, auch bei der Vergärung der Trauben gibt es neue Ansätze. Techniken, die früher nur von Amateuren angewendet wurden, sind jetzt der neue Chic und werden zusehends auch von Spitzenweingütern getestet.

Hierzu zählen z. B. ein reduzierter Einsatz von Schwefel, das Vergären ohne industrielle Hefen oder eine ungefilterte Abfüllung.

Aus dieser Bewegung heraus ist eine der wohl bekanntesten Neuentwicklungen der Branche entstanden: der sogenannte Orange Wine. Bei der Herstellung von regulärem Weißwein werden die ausgepressten Traubenschalen vor der Vergärung vom Saft getrennt. Beim Orange Wine verbleiben die Schalen jedoch wie bei der klassischen Rotweinproduktion im Fass und sorgen für die auffällige Farbgebung.

Die neuen Gärverfahren haben den Vorteil, dass die Weine häufig über mehr Charakter verfügen. Diese sehr individuellen Geschmacksnoten sind dem einen oder anderen Sommelier jedoch zu speziell, da statt des typischen Aromas der Rebsorte die Machart geschmacklich im Vordergrund stehen kann.

Aber was ist nun mit dem Geschmack von Bio-Wein? 
Der hat mit dem säuerlichen Gebräu von früher gar nichts mehr zu tun. Bio-Weine spielen mittlerweile geschmacklich sogar häufig in der Oberliga, da ein Großteil der Spitzenwinzer bereits nachhaltig arbeitet. Sie haben erkannt, dass diese Form der Bewirtschaftung das Potenzial ihrer Anbauflächen deutlich steigert. Anders als in anderen Branchen haben Winzer beim ökologischen Weinbau nämlich nicht nur Umweltschutz im Sinn. Vielmehr sind sie von der Idee getrieben, die Qualität ihrer Weine stetig zu verbessern. Denn je weniger Stress eine Weinrebe hat, desto besser ist die Qualität der Trauben.

Die Herstellung von Bio-Weinen ist aufwendiger als herkömmliche Produktionsweisen, sodass Bio-Winzer häufig über viel mehr Hintergrundwissen verfügen als ihre Konkurrenz. Viele
Weingüter verwenden jedoch kein Bio-Siegel, da der bürokratische Aufwand hoch ist und der Marketing-Effekt durch das zusätzliche Zertifikat nicht benötigt wird.

 

Schon gewusst? 

Falls ein Winzer weg vom konventionellen hin zum ökologischen Weinbau möchte, darf er erst nach drei Jahren der Umstellung das Bio-Siegel nutzen.

Von den 102.000 ha deutscher Rebflächen beträgt die Bio-Wein-Rebfläche derzeit 8.000 ha.

Bereits 25 % der Mitglieder des Verbands der Deutschen Prädikatsweine sind ökologisch zertifiziert.

Der Sulfit-Gehalt wird für Weine aus ökologischem Anbau beschränkt.

Um das Risiko von Pilzbefall zu senken, werden sogenannte pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWIs), wie Cabernet Blanc oder Johanniter, angebaut.

Folgende Bio-Weine wurden bereits mit Parker Punkten ausgezeichnet:
Riesling Marienburg Großes Gewächs 2019 (94 Parker-Punkte)
Silvaner Der Schäfer Erste Lage 2019 (93 Parker-Punkte)
Silvaner Wittmann 2020 (90 Parker-Punkte)

 

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