Zu Beginn der 1970er Jahre scheint die Welt noch in Ordnung: Die Wirtschaft boomt, Deutschland erlebt starkes Wachstum, und die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Doch 1973 ändert sich alles abrupt mit der Ölkrise. Die Energiepreise steigen sprunghaft und die erdölabhängige Industrie gerät ins Wanken. Die Folgen sind gravierend: Stagflation, eine Mischung aus stagnierendem Wachstum und Inflation, wird zur Realität. 1975 überschreitet die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik erstmals die Millionengrenze.
Die Regierung greift zu drastischen Maßnahmen wie autofreien Sonntagen und staatlichen Investitionen in Schlüsselindustrien, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Politisch ist dieses Jahrzehnt von extremen Spannungen geprägt. Bundeskanzler Willy Brandt setzt in den frühen Siebzigern auf Entspannung und Annäherung an den Ostblock. Sein Kniefall in Warschau 1970 wird zum Symbol für Versöhnung und prägt die deutsche Außenpolitik nachhaltig. Doch der Deutsche Herbst 1977, als die Rote Armee Fraktion (RAF) durch Entführungen und Attentate den Staat in eine tiefe Krise stürzt, bleibt ein dunkler Punkt in der Geschichte der Bundesrepublik.
Mit den wachsenden Herausforderungen verändert sich auch die Gesellschaft. Die aus den USA importierte Hippie-Bewegung begeistert die Jugend mit dem Slogan „Make love, not war“. In dieser Zeit der großen Friedensbewegung sprechen sich viele Menschen gegen den Vietnamkrieg aus und setzen sich für eine friedlichere Welt ein. Auch die Frauenbewegung erreicht in den 1970ern ihren Höhepunkt: mit Forderungen nach Gleichberechtigung, dem Recht auf Abtreibung und fairer Bezahlung.
Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich auch in Mode und Kultur. Schlaghosen, Plateauschuhe und bunte Muster prägen das Straßenbild. In den Clubs dominiert die Disco-Kultur mit ihrer Glitzerkugel, während internationale Hits von ABBA, Boney M. und Queen die Charts erobern. Ihre eingängigen Melodien und glamourösen
Auftritte definieren den Musikgeschmack dieser Ära. Neben den großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen verändern sich auch die privaten Lebensbereiche. Das Fernsehen
wird zu einem zentralen Bestandteil des Familienlebens und prägt den Alltag der Menschen. Fernsehabende mit beliebten Shows wie „Dalli Dalli“ oder Krimiserien wie „Der Kommissar“ erfreuen sich großer Beliebtheit. Mit dem Einzug des Farbfernsehens erhält das Fernseherlebnis eine neue Dimension und verändert die Art, wie Menschen konsumieren und unterhalten werden.
Zu Hause experimentieren die Deutschen zunehmend mit internationaler Küche. Fondue-Abende werden zu einem beliebten Ereignis, bei dem Familie und Freunde zusammenkommen. Exotische Cocktails wie Tequila Sunrise oder Piña colada versprühen ein Gefühl von Urlaub und Ferne. Gleichzeitig beginnt sich ein beschleunigter Lebensstil zu etablieren, als die ersten Fast-Food-Ketten in Deutschland auftauchen – ein Symbol für den wachsenden Einfluss der Globalisierung.
Die 1970er Jahre sind ein Jahrzehnt tiefgreifender Krisen und gesellschaftlichen Aufbruchs. Sie legen den Grundstein für viele Entwicklungen, die Deutschland bis heute prägen.