Wieso wir die Finger nicht von Süßkram und Limonaden lassen können.

Schokolade, Kekse, Kuchen und Limonaden sind für viele aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir wissen aber auch alle, dass zu viel Zucker nicht unser Freund ist und zu einer Reihe von "Nebenwirkungen" wie Übergewicht, Diabetes und Karies führen kann. In Studien wird übermäßiger Zuckerkonsum bei Kindern sogar mit einer gesteigerten Aggressivität und riskantem Verhalten, wie frühzeitigem Alkoholkonsum oder Rauchen, in Verbindung gebracht.*

Wie kann es also sein, dass wir die Finger trotzdem nicht von Süßkram und Limonaden lassen können? Zum einen haben Forscher herausgefunden, dass das regelmäßige Verlangen nach
Zucker tatsächlich genetisch bedingt ist.** Zum anderen macht der Genuss von Süßem nachweislich glücklich. Sobald wir Zucker zu uns nehmen, wird Serotonin im Körper ausgeschüttet. Dieser Botenstoff hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Steigt der Serotonin-Wert im Blut, verbessert sich automatisch auch unsere Stimmung. Wir fühlen uns entspannt, geborgen und haben bessere Laune. Ein gesunder Ersatz für Zucker ist daher wohl der Traum von vielen Naschkatzen. Aktuell sind natürliche Süßungsmittel wie Agavendicksaft, Kokosblütenzucker und Co. in aller Munde. Aber sind sie die Lösung? Leider nein. Auch wenn der Zusatz „natürlich“ verführerisch gesund klingt, haben diese Produkte auch ihre Nachteile. 

Im Kontext mit den pflanzlichen Alternativen wird häufig von Gesundheitsvorteilen durch die enthaltenen Mineralien und Vitamine gesprochen. Ja, im Vergleich zu industriell stärker verarbeitetem Haushaltszucker und chemisch hergestellten Süßstoffen enthalten Honig und Co. mehr Nährstoffe. Jedoch sind diese häufig in so geringen Mengen vorhanden, dass man das ganze Glas Honig verzehren müsste, um einen nennenswerten Effekt zu erzielen.

Weitere Aspekte, die man beim Vergleich im Hinterkopf behalten sollte, sind die Konsistenz und der Süßegrad. Insbesondere die verschiedenen Sirup-Sorten wie Ahorn- oder Reissirup enthalten ca. 45 Prozent Wasser. Durch dieses sinkt zwar der Kaloriengehalt pro 100 g, jedoch sind sie dadurch auch weniger süß. Um die gleiche Süße zu erreichen wie mit „normalem“ Zucker, muss man also auch mehr verwenden, wodurch der Kalorien-Vorteil schnell wieder wettgemacht wird.

Kokosblütenzucker wird nachgesagt, dass beim Genuss der Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigt, wodurch Heißhunger-Attacken vermieden werden. Agavendicksaft hat von Natur aus eine deutlich intensivere Süße und weniger Kalorien als Zucker – klingt beides im ersten Moment gut. Der „Saft“ hat jedoch einen sehr hohen Fructose-Gehalt und zu viel Fructose unterstützt z. B. die Entstehung von Fettleibigkeit und Bluthochdruck. Darüber hinaus stammen beide Süßmacher aus Übersee und haben durch den langen Transportweg keine gute Umweltbilanz.

Ein weiteres Importprodukt ist Stevia, das wohl jeder seit der stark diskutierten deutschen Markteinführung der Coca-Cola Life kennt. Mithilfe von Lösungsmitteln werden in einem chemischen Prozess Extrakte aus den Blättern der Stevia-Pflanze herausgelöst, die bis zu 450-mal süßer sind als Haushaltszucker. Einer der Gründe, warum sich zuckerreduzierte Limonaden mit Stevia nicht durchgesetzt haben, war aber der nach wie vor hohe Zuckergehalt. Wie kann das bei einer so hohen Stevia-Süßkraft sein? Für den Einsatz von Stevia gibt es zum einen in Deutschland gesetzlich festgelegte Höchstmengen und zum anderen kommt bei einem starken Einsatz des Süßungsmittels deutlich der lakritzartige Eigengeschmack durch, der nicht zum gewünschten Geschmack des Produkts passt. Um die dadurch bedingt fehlende Süße auszugleichen, muss häufig reichlich Zucker hinzugefügt werden.

Was sollen wir also tun? Weg von Haushaltszucker oder natürlichen Süßungsmitteln und auf die allseits beliebten künstlichen Süßstoffe wie Aspartam, Sucralose und Co. ausweichen, die uns schon seit Jahrzehnten in Diät- und Zero-Produkten begleiten? Für sie spricht eine Süßkraft, die 30- bis 3.000-fach über der von Zucker liegt und das fast ohne Kalorien.

Auch hier machen uns kanadische Wissenschaftler einen Strich durch die Rechnung. Die Universität von Manitoba fand heraus, dass Übergewichtige, die Zucker durch Süßstoffe ersetzen, ihr Gewicht nicht besser unter Kontrolle haben. Es ist sogar genau das Gegenteil der Fall: Die Ersatzstoffe werden verdächtigt, den Appetit, den Stoffwechsel sowie die Zusammensetzung der Darmbakterien zu beeinflussen, wodurch die künstliche Süße langfristig zu einer Gewichtszunahme führt.***

Egal wie man es also dreht und wendet, es gibt wohl keinen optimalen Weg, um Süßes vollkommen unbeschwert zu genießen. Bei der Frage nach dem richtigen Diät-Produkt muss jeder seinen eigenen Weg wählen und sich fragen, warum man den Zucker ersetzen möchte und ob es vielleicht bessere Alternativen gibt.

 

 

Quellen:

* Bruckaufa, Zlata; Walsh, Sophie D. (2018): Adolescents' multiple and individual risk behaviors: Examining the link with excessive sugar consumption across 26 industrialized countries, in Social Science & Medicine, Jahrgang 216, November, Seiten 133–141.

** Keskitalo, Kais; Knaapila, Antti; Kallela, Mikko; Palotie, Aarno; Wessman, Maija; Sammalisto, Sampo; Peltonen, Leena; Tuorila, Hely; Perola, Markus (2007): Sweet taste preferences are partly genetically determined: identification of a trait locus on chromosome 16, in The American Journal of Clinical Nutrition, Jahrgang 86, Ausgabe 1, Seiten 55–63.

***Azad, Meghan B.; Abou-Setta, Ahmed M.; Chauhan, Bhupendrasinh F.; Rabbani, Rasheda; Lys, Justin; Copstein, Leslie; Mann, Amrinder; Jeyaraman, Maya M.; Reid, Ashleigh E.; Fiander, Michelle; MacKay, Dylan S.; McGavock, Jon; Wicklow, Brandy; Zarychanski, Ryan (2017): Nonnutritive sweeteners and cardiometabolic health: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials and prospective cohort studies, in Canadian Medical Association Journal, Jahrgang 198, Ausgabe 28, Seite 929–939.

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